Pflegekammer Niedersachsen: Der Frieden ist dahin
Kann die Kammer noch verhindert werden? Die Vernunft sagt Ja, die Realität sagt Nein.
So ernüchtert sieht die Situation Christa Greve, Altenpflegerin und Mitglied im Gesamtpersonalrat der Landeshauptstadt Hannover, in einem Rundschreiben, dass sie nach der letzten Sitzung der Gründungskonferenz verschickt hatte.
Sehr deutliche Worte fand sie darin über die Umgangsform der niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) bei dieser Sitzung:
»Nicht im Protokoll aufgenommen ist die scharfe Kritik der Ministerin an den Kritikern der Pflegekammer, die schlicht unverschämt war und fehlendes demokratisches Verständnis sichtbar machte.«
Die Landespolitik will die Pflegezwangskammer mit Gewalt durchdrücken und nimmt dabei keinerlei Rücksicht auf die eigentlich Betroffenen. Diese Arroganz gegenüber den Gewerkschaften und den Pflegekräften ist eine bittere Pille für die Arbeitnehmervertreter. Für die war sonst die SPD der erste politische Ansprechpartner. In den letzten Wochen kursierten in den sozialen Netzwerken häufig Aussagen darüber, wie enttäuscht man über die ehemals arbeitnehmernahe SPD und deren neuen totalitären Stil ist.
Ein sehr bezeichnender Satz findet sich in der Rede von Cornelia Rundt (SPD):
»Gleichwohl gibt es immer noch kritische Stimmen – vornehmlich von Arbeitgebern und Gewerkschaften, nicht jedoch von Seiten der pflegerischen Berufsverbände.«
Übersetzt bedeutet das:
- Die Personen, welche die Infrastruktur, die Institutionen und die Arbeitsplätze bereitstellen, wollen keine Pflegekammer.
- Die Personen, welche die die pflegerische Arbeit an den Menschen erbringen und den gesellschaftlichen Wert der Pflege im Land darstellen, wollen keine Pflegekammer.
- Die Berufsverbände wollen die Kammer.
Wer sind den diese Personen in den Berufsverbänden, wenn sie offensichtlich nicht aus dem Lager der Arbeitgeber noch aus dem Lager der am Menschen arbeitenden Pflegekräfte kommen? Frau Rundt scheint sich keine Mühe gemacht zu haben, einmal nachzufragen wer da behauptet für die Pflege zu sprechen und wem sie da eigentlich eine Pflegezwangskammer einrichtet. Warum soll man auch nachfragen? Man spricht nicht mit Kritikern, also gibt es keine Kritik. Und wenn es doch Kritik gibt, dann kanzelt man diese einfach borniert ab. Setzt man so heute seine politischen Ziele durch?
Mit diesem Handeln bestätigt sie, dass die Politik gar kein Interesse an einer Organisation hat, die beim Thema Pflege in der Politik mitreden darf oder es überhaupt kann. Wenn das Interesse und die Offenheit der Politik zu diesem Thema wirklich da wäre, hätte die Landesregierung bereits jetzt auf die Pflegekräfte gehört und nicht die horrenden Kosten und Risiken einer künstlichen Zwangsverwaltung auf die kleinen Angestellten übertragen.
Arbeitgeber und Gewerkschaften, zwei Institutionen, die sich sonst spinnefeind gegenüberstehen, stehen auf einer Seite. Trotzdem ignoriert die Politik, was sie hier gerade anrichtet. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (www.bpa.de) bezeichnet diesen gemeinsamen Standpunkt mit den Gewerkschaften als »Koalition der Vernunft«.
Zitat aus der Seite des bpa:
»Gewerkschaft und Arbeitgeber sind sich in der Ablehnung einer Pflegekammer einig. Eine „Koalition der Vernunft“ für eine reale Verbesserung der Pflegebedingungen versucht, diese bürokratische Fehlentwicklung zu verhindern. Die für die Pflegekammer vorgesehenen Aufgaben könnten günstiger und praxisnäher durch Pflegebeauftragte wahrgenommen werden, ohne hierfür den ohnehin unterbezahlten Mitarbeitern in die Tasche zu greifen.«
Passend führt Frau Rundt in ihrer Rede weiter aus:
»Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass die Pflegekammer kein Allheilmittel sein kann. Wir alle hier wissen jedoch: Sie ist eine wesentliche flankierende Maßnahme, die mittel- und langfristig ihre positive Wirkung entfalten wird.«
Besser kann man die Nutzlosigkeit einer Organisation mit politisch heißer Luft nicht umschreiben. Eine Organisation die rein per Gesetz zu den existentiellen Themen der Pflegeberufe keine Stellungnahme abgeben darf, wird auch keine positive Wirkung entfalten können. Sie lobt sich selbst, dass sie der Pflege mehr Geld zur Verfügung stellen will. Nur was nutzt das den Pflegekräften, wenn sie evtl. ein paar Euro mehr bekommen, dafür aber ein vielfaches für die Zwangsbeiträge und Folgekosten der Kammer aufbringen müssen?
Es wurde sogar ein Antrag eingebracht, das man ein Gesetz erlassen solle, das die Arbeitgeber verpflichtet die Daten der angestellten Pflegekräfte zur Zwangsregistrierung zu melden.
Die Gewerkschaften und betroffenen Pflegekräfte wollen diese Art und Weise mit ihnen umzugehen nicht hinnehmen.
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