Bundesverband für freie Kammern e.V. Rentnerin klagt gegen Zwangsmitgliedschaft in der Pflegekammer NRW

20.09.2023

Rentnerin klagt gegen Zwangsmitgliedschaft in der Pflegekammer NRW

In NRW wird aktuell an der Etablierung der frisch errichteten Pflegekammer gearbeitet. Zu den Besonderheiten gehört dabei, dass die Landesregierung bis zum Jahr 2027 die Finanzierung übernommen hat. In der Folge ist der Protest aus der Pflege abgeflacht. Geradezu paradox ist, dass die Pflegekammerfunktionäre, die zuvor lauthals und ideologisch eine Eigenfinanzierung der Kammer aus Beitragsmitteln zu dem zentralen Baustein der Unabhängigkeit der Kammer verklärt haben, die Landesmittel nun dankbar annehmen. Natürlich ist diesen Funktionären längst klar geworden, dass sie die Landesfinanzierung vor dem Sturm der Entrüstung aus der Pflege, der die Pflegekammern in Schleswig-Holstein und Niedersachsen in kürzester Zeit hinweggefegt hat, schützt. Das ist jedem tapferen Zwangskammerfreund „die Jacke näher als die Hose“. Lieber also die Landesmittel nehmen und in Ruhe die neue Pflegebehörde aufbauen als den eigenen Vor- und Grundsätzen zu folgen. Von einer beherrschenden Rolle der Landespolitik, die sich aus der Landesfinanzierung ergeben könnte, ist plötzlich keine Rede mehr.

Zu den Besonderheiten in Nordrhein-Westfalen gehört auch, dass selbst Berufsaussteiger und also auch Rentnerinnen und Rentner weiter zur Zwangsmitgliedschaft verpflichtet sind. Dies gilt dabei nicht nur für die Pflege, sondern für alle Heilberufekammern in NRW. Aus Sicht des bffk ist diese gesetzliche Bestimmung, auf die sich brav – von wegen selbstbewusst und unabhängig – auch die Pflegekammer NRW stützt, vollständig verfassungswidrig. Es ist in der Rechtsprechung aktuell unstrittig, dass es für die berufsständischen Kammern eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Zwangsmitgliedschaft gibt, soweit diese Kammern in staatlichem Auftrag berufsordnend tätig sind. Folgerichtig hat es über die Jahre in allen Bundesländern immer wieder Gerichtsverfahren gegeben, in denen Berufsangehörige mit Erfolg auf Beendigung der Zwangsmitgliedschaft geklagt haben, weil sie den entsprechenden Beruf gar nicht mehr oder nur noch mit unerheblichen Anteilen ausgeübt haben. Dass vollständige Berufsaussteiger und/oder Rentnerinnen und Rentner weiter zur Mitgliedschaft verpflichtet sein könnten, ist vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Auf eine damit verbundene Pflicht zur Zahlung von Mitgliedsbeiträgen kommt es dabei nicht an. Denn bereits die Verpflichtung zur Mitgliedschaft ist unstrittig ein Grundrechtseingriff, dem es in diesem Fall an der Rechtfertigung fehlt. Bemerkenswert ist diese Regelung, weil es eine solche Verpflichtung zur fortdauernden Mitgliedschaft für beruflich nicht mehr Aktive in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nicht gibt und in Niedersachsen und Schleswig-Holstein auch nicht gab.

Mit Unterstützung des bffk hat nun eine Rentnerin vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage gegen die Pflegekammer NRW erhoben, die im Sinne dieser offenkundig verfassungswidrigen Bestimmung auf der Mitgliedschaft der Rentnerin besteht.