Wahlergebnisse ohne Wahlergebnis
43% Wahlbeteiligung, obwohl nicht einmal jeder Vierte gewählt hat. Das schaffen nur Kammern.
Die Gründungskonferenz der Pflegekammer Rheinland-Pfalz hat ihre Wahlergebnisse für die erste Vollversammlung veröffentlicht. In einer schönen Grafik und mit viel Stolz stellt man fest, aus jeder Liste ist mindestens eine Person in das Gremium gewählt worden und die Wahlbeteiligung lag bei gut 43%.
43%? Da tun sich viele Fragen auf. Wer hat den da eigentlich gewählt und wer sind die 100% auf die sich das Wahlergebnis bezieht? Genaue Zahlen erhält man wie üblich in Kammern nicht. Man darf gespannt sein, ob sich die Kämmerlinge herablassen und echte Wahlergebnisse mit exakten Zahlen und Auszählungsergebnissen veröffentlichen. Verpflichtet sind sie dazu nicht. Die Politik hat die Kammern in Rheinland-Pfalz wohlweislich aus dem Transparenzgesetz herausgenommen.
Wählen konnte nur, wer sich bis zum 16. Oktober 2015 bereits zur Zwangsregistrierung entschlossen hat. Das waren zu diesem Zeitpunkt schätzungsweise nur 55% der betroffenen Pflegekräfte. Ein Ansturm sieht anders aus. Demnach hätten auch nur 55% der Pflegekräfte überhaupt an der Wahl teilnehmen können. Ein etwas fragwürdiges Verhalten, für eine Organisation, welche sich anmaßt, eine »starke Stimme der Pflege« sein zu wollen. Hätte man nicht erst einmal alle Betroffenen registrieren müssen, um überhaupt eine Wahl stattfinden lassen zu können?
Daran dürfte den Kammerbefürwortern aber gar nicht gelegen sein. Durch die geringe Registrierungsquote konnten viele Listen gar nicht zur Wahl zugelassen werden. Die Wählerverzeichnisse lagen nur in Mainz zur Einsicht bereit. Da für die Zulassung utopisch hohe 150 Unterstützerunterschriften benötigt wurden, waren es gerade die kammerkritischen Listen, die nicht zum Zuge kamen. Wie viele Listen nicht zugelassen wurden, kann man ebenfalls nicht erfahren. Man darf das als Kalkül von Kammerinitiatoren und Politik bezeichnen, um die Ergebnisse zu schönen, lästige Kritiker außen vor zu lassen und die besten Posten mit dem eigenen »Personal« zu besetzen. Vermutlich werden sich die Rechtsaufsicht und die Juristen der Kammer ziemlich ins Zeug legen, um diese Wahl irgendwie unangreifbar zu machen.
Betrachte man nun die Gruppe derer, die hätten wählen können, dann dürften sich darin alle die Personen befinden, die sich auf Kosten der Pflegekräfte eine Kammer haben einrichten lassen und alle die, die immer noch glauben sie erhalten eine Interessenvertretung oder so etwas wie eine Gewerkschaft. Oder eben die, welche von ihren Vorgesetzten zur Registrierung gedrängt wurden. Selbst von diesen Personen hat nicht einmal die Hälfte an der Wahl teilgenommen. Auch hier kann man nicht von Begeisterungsstürmen sprechen.
Bis jetzt weiß die Gründungskonferenz noch nicht einmal, wie viele Personen exakt ihrer Kammer zugewiesen werden müssten. Auch kann sie nicht belegen, dass überhaupt alle Pflegekräfte von der Registrierungspflicht wissen. Gerade die Pflegekräfte, die gar nicht im Beruf arbeiten oder deren Arbeitgeber die Daten nicht weitergegeben haben, sind noch gar nicht auf dem Radar der Zwangskammer angekommen. Wer nur noch ein paar Jahre im Beruf ist oder außerhalb einer reinen »Pflegestelle« arbeitet, könnte auf die Idee kommen, es mit »Füße stillhalten« zu probieren, um dem Spuk zu entgehen.
Selbst jetzt, zur Jahresendwende 2015/16 geht man immer noch von ca. 12.000 (gelegentlich sogar 16.000) nicht registrierten Pflegekräften aus. Pflegekräfte, die demnächst mit Androhung von Sanktionen oder juristischen Übergriffen zur Abgabe der Zwangsbeiträge gezwungen werden müssen. Sofern sie der Kammer überhaupt bekannt werden.
Im Gegensatz zu politischen Wahlen, sind Wahlen bei staatlich angeordneten Zwangskammern auch ein Gradmesser der Legitimation durch die sogenannten »Mitglieder«. Von Legitimation und einer starken Stimme für die Pflege kann man hier kaum sprechen. Die für die Einrichtung der Kammer verantwortlichen Personen werden sich noch auf viele unangenehme Fragen gefasst machen müssen.
Mit einem Schmunzeln darf man dann zusehen, wie die Akteure der Kammer dieses Wahlergebnis und den Umgang mit den Betroffenen als Erfolg feiern werden.
Hinweis: Alle Zahlen basieren auf Schätzungen. Da selbst die Kammer nicht sagen kann, wie viele Personen wirklich zugeordnet wurden, können auch wir unsere Aussagen nur auf Schätzungen aufbauen. Die Zahlen wurden kaufmännisch gerundet.