Pflegekräfte als erfolgreiche IT-Spürnasen - die Hintergründe zur Datenpanne in der UmfrageWas gab das für eine Welle von Beschuldigungen und Angriffen, nachdem einige Pflegekräfte aus Niedersachsen mit Unterstützung des bffk die Datenpanne bei der Umfrage zur Evaluation der Pflegekammer Niedersachsen öffentlich gemacht haben. Das Sozialministerium fabulierte flott von möglichen „Manipulationsversuchen durch Dritte“ und die Ministerin verurteilte ohne jede Kenntnis des Sachverhaltes „die Versuche der Manipulation an dieser so wichtigen Befragung scharf" (siehe Pressemitteilung vom 09. Juni 2020).
Der sozialpolitischen Sprecher der SPD, Uwe Schwarz, legte noch eine Schippe drauf. Es gäbe „militante Kräfte (...) , die mit krimineller Energie versuchen, eine Entscheidung zu verhindern“. Landes-und Bundesweit beherrschten die Schlagzeilen von einem Hackerangriff die Berichterstattung.
Ignoriert wurde dabei von der Landespolitik, dass diejenigen, die diese Datenpanne aufgedeckt hatten, ungeachtet aller fachlichen und atmosphärischen Differenzen, noch vor dem Gang in die Öffentlichkeit verantwortlich und konstruktiv das betroffene Befragungsinstitut informierten und der Firma damit die Möglichkeit gaben, die Umfrage vom Netz zu nehmen. Und während der SPD-Sprecher noch immer im Angriffsmodus war, unterstütze bffk-Geschäftsführer Kai Boeddinghaus das Umfrageinstitut bei der Aufklärung des Fehlers.
Das Sozialministerium ist nun zurückgerudert. In einer Pressemitteilung vom 16. Juni 2020 stellt das Ministerium klar: „Es gab keinen Hackerangriff auf das Befragungsportal“. Immerhin. Für eine Entschuldigung oder gar einen Dank reichte es aber nicht. Und auch die Aussage des Ministeriums „Es gab kein Datenleck, durch das personenbezogene Daten von Befragten in die Hände Dritter gelangen konnten“ wird durch den nächsten Satz in der Pressemitteilung gleich widerlegt. Dort nämlich wird zugegeben, „dass Dritte unter bestimmten Voraussetzungen in den Fragebogen einer zufälligen anderen Sitzung gelangen konnten, ohne über einen gültigen Zugangscode zu verfügen“. Nun waren in diesen Bögen sehr wohl bereits eine Vielzahl von persönlichen Daten wie Geschlecht, Alter, Postleitzahl, Berufsqualifikation, Anzahl der Berufsjahre, Tätigkeitsbereich, Funktion und Mitgliedschaft in Organisationen abgefragt. Nach Auskunft der IT-Experten lassen sich schon mit weit weniger Angaben konkrete Rückschlüsse auf einzelne Personen ziehen. Anders als das Ministerium hat das betroffene Umfrageinstitut klare Kante gezeigt und sich ausdrücklich bedankt. Wörtlich schreibt der Geschäftsführer: „Ich wollte mich ganz aufrichtig bei Ihnen und den beteiligten Pflegekräften bedanken. Ich muss auch zugeben, dass ich mir anfangs nicht vorstellen konnte, dass niedersächsischen Pflegekräften mal so „nebenbei“ einen Fehler in einer Software finden , die weltweit im Einsatz ist (und mit der wir z. B. vor wenigen Monaten Tausende von Informatikern befragt haben). Hut ab – auch für den „Biss“, mit dem Sie dann daran geblieben sind.“ Es waren also tatsächlich niedersächsische Pflegekräfte, die eine besondere IT-Spürnase bewiesen haben. Es wäre zu wünschen, dass die niedersächsische Politik diesen Pflegekräften zukünftig mit mehr Respekt begegnen würde und die berechtigten Forderungen auf eine ehrliche Umfrage wirklich Gehör finden würden. Zu einer solchen ehrlichen Umfrage gehört die nun versprochene klare Fragestellung ebenso wie eine umfassende Begleitinformation und ein Design der Umfrage, das auch die Möglichkeit eröffnet, nur diese eine „politische Frage“ zur Zukunft der Pflegekammer zu beantworten.