PK Niedersachsen: Im Gesetz von Interessenvertretung keine Spur
Auch wenn der erste Entwurf des Pflegekammergesetzes in Niedersachsen noch nicht die endgültige Fassung ist, so kann man davon ausgehen, dass es in einer sehr ähnlichen Form durchgewunken wird. Auch der bffk e.V. hat eine Stellungnahme dazu abgegeben. In der Planung werden dabei auch die Eckpunkte für Aufwand und Kosten benannt. Wer weiß wie die öffentliche Hand plant, kann sich ausrechnen wie teuer das ganze dann wirklich wird:Nach jetziger Planung müssen bereits 53 Bürokräfte finanziert werden, mit einem Personalbudget von 3,7 Millionen Euro. Das sind rundgerechnet 70.000 Euro Gehalt pro Person. Davon würde jede Pflegekraft träumen. Nach jetziger Schätzung wird ein Haushaltsvolumen von 4,8 Millionen Euro jährlich benötigt. Davon alleine 1,1 Millionen für den Druck und Versand der Mitgliederzeitschrift und die Registratur!
Es ist erkennbar, welche Kosten erst entstehen, wenn diese Verwaltungskräfte aktiv werden. Aufwandspauschalen, Kostenerstattung, Software, Räumlichkeiten, Sitzungen, Arbeitskreise, Kosten für externe Gutachten, Rechtsstreitigkeiten, Pensionsrücklagen, Dienstwagen, usw.
Das alles muss aus dem Privatvermögen der Pflegekräfte finanziert werden, die zusätzlich dann noch mit den Kosten für Verwaltungsvorgänge und die Pflichtfortbildung belastet werden.Der Entwurf des Kammergesetzes in Niedersachsen für die Pflegekammer umfasst 34 Artikel von denen nur ein einziger (§ 7) die Aufgaben der Zwangskammer beschreibt. Alle anderen beschäftigen sich nur mit der Einrichtung und Durchführung der Selbstverwaltung, mit Sanktionen und natürlich mit dem Abkassieren der Pflegekräfte.Alleine die Tatsache, dass man Pflegekräfte, die sich nicht bei der Kammer anmelden, mit einem Strafgeld von 2.500 Euro bedroht (in Rheinland-Pfalz sind es nur 500 Euro), zeigt, dass die Kammerinitiatoren wissen, nur mit der Androhung von Gewalt und drastischer Einschüchterung kann man die Betroffenen von den »Vorzügen einer Pflegekammer überzeugen«.Das Kammergesetz ist genauso rückständig wie die meisten anderen Kammergesetze in diesem Land. Man hat sich nicht die Mühe gemacht dieses zu modernisieren oder im Interesse der Betroffenen anzupassen. Warum auch, ein System das auf Zwang und Bedrohung aufbaut, braucht nicht durch Inhalte und Werte zu punkten.Als Zusammenfassung kann man das Gesetz auf vier Punkte reduzieren:
Reglementieren, Kontrollieren, Sanktionieren und vor allem Abkassieren.Besonders deutlich wird das, wenn man sich die unter § 7 aufgelisteten Selbstverwaltungsaufgaben ansieht. Hier wird geregelt, welche Aufgaben und welchen »Nutzen« eine Kammer für die Betroffenen letztendlich hat.Entwurf des Pflegekammergesetzes NiedersachsenEs sind nur berufsinterne Verwaltungsaufgaben, wachsweiche Formulierungen wie »Qualitätssicherung«, Information über die beruflichen Tätigkeiten, Arbeitsgemeinschaften, beraten, unterstützen, usw.Jedoch das, was den Pflegekräften immer in den Werbeveranstaltungen so großartig propagiert wurde, die Interessenvertretung, die »eine Stimme« und das Mitspracherecht in der (Gesundheits-)Politik findet man hier überhaupt nicht. Verständlich, denn das dürfen berufsständische Kammern gar nicht sein. Einmal aus rechtlichen Gründen und zum anderen, weil sie keinen Auftrag von den Betroffenen dazu haben. Das hat jeder gewusst, der sich für eine Pflegezwangskammer starkgemacht hat.Selbst wenn sich die Kammer eine interne Satzung gibt, kann diese nicht über die Aufgaben und Funktionen die im Gesetz geschrieben sind hinausgehen. Diese kann nur die Selbstverwaltung detaillierter regeln aber nicht den Handlungsrahmen erweitern. Zusammenfassend kann man sagen: Das Gesetz ist einseitig zum Vorteil der Kämmerlinge ausgelegt, die betroffenen Pflegekräfte haben die Nachteile, die Kosten zu tragen und als lohnabhängig Angestellte praktisch keinen Nutzen von dieser Kammer.Kritikpunkte an dem Gesetzentwurf in der Kurzfasssung:
Grundsätzliche Kritikpunkte:
- Die Kammern können jegliche Form von Auskünften bei den Betroffenen einholen, es ist aber nirgendwo geregelt, welche Informationen die Betroffene von der Kammer erhalten. Stattdessen folgt der Gesetzentwurf hier einem veralteten obrigkeitsgläubigen Modell, in dem zwar Auskunftspflichten der Kammermitglieder gegenüber der Kammer definiert sind (§§ 3, 10) und dafür ggf. auch Sanktionen kennt, während umgekehrt keine konkreten Festschreibungen zu finden sind.
- Es gibt keine klaren Regelungen zur Transparenz und zur Öffentlichkeit. Die Kammern als Körperschaften öffentlichen Rechts, können komplett hinter verschlossenen Türen arbeiten. Im Hinblick auf die Verpflichtung zu Transparenz und Öffentlichkeit wird dabei übersehen, dass die Kammer ganz offensichtlich im öffentlichen Auftrag tätig ist. Warum dann aber eine Transparenzverpflichtung nur gegenüber den Kammermitgliedern und nicht auch gegenüber der Öffentlichkeit (Presse) bestehen soll, erschließt sich nicht.
Weitere Punkte:
- Das Gesetz hat keine klaren Vorgaben zur Ausgestaltung der Kammersatzung.
- Die Kammer hat nur eine Haushalts- und Kassenordnung. Eine Festschreibung einer transparenten Buchführung (Dopik) wie sonst im Geschäftsleben üblich, fehlt komplett und wird zum Einfallstor für Mauscheleien und Selbstbedienung wie in anderen Kammern.
- Es gibt keine klare Aussage, das berufsständische Zwangskammern keine »Interessenvertretung« sein dürfen (§7.1). Damit ist dem Missbrauch zum Nachteil der Betroffen Tür und Tor geöffnet.
- Es gibt keine Klarstellung, dass bei einer Zusammenarbeit mit anderen Verbänden eine Erweiterung der Aufgaben nicht zulässig ist. (Wichtig in Bezug auf das fehlende Recht auf Interessenvertretung)
- Es gibt keine konkreten Vorgaben zur Wahlordnung. Gerade das Negativbeispiel der 150 Unterstützerunterschriften zum Nachteil »kleiner Kandidaten« wie in Rheinland-Pfalz, verdeutlichen die Notwendigkeit einer Klarstellung und Modernisierung.
- Die Festlegung auf 60 Delegierte bei der Vollversammlung ist willkürlich und nicht nachvollziehbar. Eine Verletzung von Minderheitenrechten ist hier vorhersehbar.
- Das Kammerversammlungen nur für Betroffene offen stehen, die Öffentlichkeit / Presse aber ausgeschlossen ist, übersieht, dass die Kammer einen öffentlich-rechtlichen Auftrag hat.
- Es fehlt die Aufgabe der Kammerversammlung zur Festlegung von Gehältern, Aufwandsentschädigungen und Gehaltsstrukturen. Hier werden der Selbstbedienung, wie in anderen Kammern, Tür und Tor geöffnet.
- Es fehlen klare gesetzliche Regelungen zur Veröffentlichung von Tagesordnungen, Protokollen, Abschlüssen, Sitzungsprotokollen der Vorstände, Rechnungsprüfungsberichte usw. Hier herrscht ein absoluter Mangel an Transparenz.
- Es gibt keine Vorgabe, das Ausschüsse so zusammengesetzt sein müssen, das keine Minderheitenrechte verletzt werden.
- Eine Frauenquote gibt es nur für die Kammerversammlung nicht für die Zusammensetzung des Vorstandes.
- Es gibt keine klare Definition, was unter »vorübergehender« oder »gelegentlicher« Berufsausübung zu verstehen ist. Hier sind Rechtsunsicherheit und Streitigkeiten vorprogrammiert.