Bundesverband für freie Kammern e.V. EU kritisiert Lobby-Einfluss in Deutschland – und übersieht die Kammern

19.07.2022

EU kritisiert Lobby-Einfluss in Deutschland – und übersieht die Kammern

Die EU-Kommission hat in ihrem jährlichen Rechtsstaat-"TÜV" Kritik an den Verhältnissen in Deutschland geübt. Konkret wird Deutschland aufgefordert, stärker gegen die Einflussnahme von Lobbyisten auf die Politik vorzugehen und die Vorschriften gegen den sogenannten Drehtür-Effekt (wenn allzu schnell allzu häufig Lobbyisten in die Politik wechseln oder Politiker zu Lobbyisten werden) und verschärfen. 
Das sind auch aus Sicht des bffk sinnvolle Forderungen. Bedauerlich ist, dass die EU dabei ganz offenkundig den gesetzlich verordneten Zwangslobbyismus der Kammern nicht im Auge hat. Beschwerden gegen den Kammerzwang und den damit verbundenen Lobbyismus, bei dem die Kammern regelhaft ohne demokratische Legitimation irgendwelche Interessen – ggf. auch gegen die eigenen Mitglieder – vertreten, hat die EU-Kommission mit oberflächlichen Gründen abgewiesen. Der damaligen Begründung ließ sich schon entnehmen, dass sich die Kommission nicht wirklich mit dem Thema beschäftigt hatte. Denn die Autoren des Ablehnungsschreibens vermochten zwischen Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Berufskammern nicht zu unterscheiden. 
Dass insbesondere der Drehtür-Effekt auch in „Kammerland“ traditionell weit verbreitet ist, zeigt ein Blick in die entsprechende Dokumentation des bffk. Zuletzt wechselte der ehemalige Wirtschaftsminister in NRW (zuständig für die Rechtsaufsicht über IHKn und HWKn) auf den gut bezahlten Chefsessel in der HWK Köln. Bei der Berufung kann nicht geschadet haben, dass er als Minister stets ein offenes Ohr für die Kammerlobbyisten hatte, denen er sich nun selbst angeschlossen hat, und für jegliche Forderungen zur Ausübung einer wirksamen Rechtsaufsicht über die Kammern keinerlei Interesse zeigte.

Das Problem liegt also im Bereich des Kammerlobbyismus nicht nur darin, dass die ganz normalen Missstände einer zu wenig kontrollierten Verbändelandschaft zutage treten. Das Problem liegt hier in einer Struktur, in der mit der Kombination aus Mitgliedszwang und Gebietsschutz den so zwangsweise vereinnahmten Mitglied dann noch eine gesetzliche Interessenvertretung aufgezwungen wird.