29.07.2019
Drohung statt Debatte – Meinungsbildung in der Pflegekammer NiedersachsenDer Anspruch der Pflegekammer ist es, der Pflege eine Stimme zu geben. Dazu gehört natürlich, die verschieden gelagerten Interessen vor dem Hintergrund der unterschiedlichsten beruflichen Erfahrungen ausgleichend und abwägend zu ermitteln. In dem Wissen darum, dass es innerhalb der Pflege vielfältige Interessen gibt – man denke nur an die Unterschiede der Arbeitsplätze von Menschen in der ambulanten Altenpflege oder in der intensiv-medizinischen Betreuung – hat der Gesetzgeber ein Wahlsystem geschaffen, das in den beschlussfassenden Gremien der Pflegekammer diese Unterschiede widerspiegeln bzw. zusammenführen soll. Auch wenn es an dem Wahlsystem viel zu kritisieren gibt, ist dieser gesetzgeberische Auftrag klar. Dies wird auch durch die Rechtsprechung unterstrichen, die den Kammern ausdrücklich auferlegt, dass bei der Meinungsbildung und der öffentliche Wiedergabe der Meinungen und Positionen (abweichende) Minderheitenmeinungen zu berücksichtigen sind. Soweit die Theorie. Wie wenig sich die Verantwortlichen der Pflegekammer Niedersachsen für diese Grundsätze, die dem eigenen Anspruch und dem gesetzlichen Auftrag verpflichtet sind, interessieren, zeigt der Umgang mit dem Mitglied der Kammerversammlung Axel Burgdorf.
Axel Burgdorf ist über die Gewerkschaftsliste in die Kammerversammlung gewählt worden. Und ganz offenkundig war und ist er sich bewusst, dass zahlreiche ver.di-Mitglieder – anders als er selbst zunächst – der Pflegekammer kritisch gegenüberstehen. Burgdorf fühlte sich auch diesen Mitgliedern gegenüber verantwortlich; ein Abnicker ist er auch nicht und stellte so z.B. auch zur Wirtschaftsführung als stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses unbequeme Fragen. Ergebnis: der Haushaltsausschuss hat sich plötzlich – mitten in der Wahlperiode – neu formiert. Praktischerweise ohne Axel Burgdorf.
Der schöne Schein einer demokratischen Meinungsbildung
Im Zusammenhang mit der geplanten Erarbeitung eines Grundsatzpapiers „Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs“ wurde in zwei Fachausschüssen der Kammer ganz im Sinne einer demokratischen Erarbeitung unter Einbeziehung möglichst vieler Blickwinkel nach Interessenten für eine Mitarbeit gefragt. Richtig so. Aus Sicht der Pflegekammer aber war damit nicht Axel Burgdorf gemeint, der sich gerne zur Verfügung stellte. Hinter seinem Rücken beschloss ein Ausschuss der Pflegekammer, dass man auf die „Expertise von Axel Burgdorf“ verzichten möchte. Er erfuhr davon nur aus dem Protokoll. Schon diese Umgehensweise tritt die Idee einer offenen und demokratischen Diskussionskultur mit Füßen. Wenn die Ja-Sager unter sich bleiben wollen, bleibt nicht nur die Demokratie auf der Strecke. Gleich danach kann man auch jeden Anspruch auf Qualität beerdigen. Wie will die Pflegekammer ihrem Anspruch gerecht werden, Stimme der Pflege zu sein, wenn ganz gezielt unbequeme Denker ausgegrenzt werden?
Plumpe Drohkulisse
Und die Pflegekammer nimmt nun noch Geld in die Hand, um Axel Burgdorf zu bedrohen. Er hat nämlich die Unverfrorenheit besessen, diesen Vorgang öffentlich zu machen. Dass die Pflegekammer-Fürst*innen in Hannover mit der Idee einer offenen und transparenten Kammer auf Kriegsfuss stehen, ist keine neue Nachricht. Auch Burgdorf, der teilweise früher, teilweise umfassender, teilweise genauer aus dem Innenleben der Pflegekammer berichtete, erhielt schon mahnende Mails, in denen man ihn auf seine Verschwiegenheit verwies. Jetzt bekam er aber Post von der Rechtsanwältin der Pflegekammer. Ganz offiziell zeigt diese an, die Pflegekammer gegen ihn zu vertreten. Wieder wird Burgdorf auf seine Verschwiegenheit verwiesen und unverhohlen wird mit rechtlichen Schritten gedroht. Eine konkrete Verschwiegenheitsverletzung aber weiß man ihm nicht vorzuwerfen. Wie auch? Der Verschwiegenheit unterliegt natürlich nicht, mit den Mitgliedern der Kammer – ggf. auch öffentlich – über Kammerpolitik zu diskutieren. Das weiß die Pflegekammer. Und das weiß auch die Rechtsanwältin. Deswegen wird Burgdorf auch in keiner Weise konkret zur Unterlassung irgendwelcher Äusserungen aufgefordert. Die Anwaltspost ist also nichts weiter als ein aus Mitgliedsbeiträgen finanzierter Versuch plumper Einschüchterung. Gleichzeitig demaskiert sich die Pflegekammer völlig. Mit der schlichten Normalität einer konstruktiven, lebhaften und vielfältigen Debatte sind die Kammerfunktionäre völlig überfordert.