27.12.2022
Neues aus der Kanervals-(Pflege-)Kammer Rheinland-Pfalz
In diesem Beitrag steht eine Nachbetrachtung zur Sitzung der Kammerversammlung der Pflegekammer in Rheinland-Pfalz an. Das ist eine Kammer, die unter den Pflegekammern als Erfolgsmodell gilt. Zugegebenermaßen liegt dafür die Latte nicht allzu hoch. Denn die Pflegekammern in Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind schon wieder abgeschafft und in der Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen wird von pflegerisch unstrittig engagierten, jedoch in Kammerfragen völlig unbeleckten Funktionären erst seit dem 16. Dezember 2022 herumgestümpert. (Ein Bericht über die Konstituierung folgt in Kürze.)
Im Rückblick auf die Vertreterversammlung der
Landespflegekammer Rheinland-Pfalz vom 29. November 2022 wollen und müssen wir uns auf einige Themen beschränken. Eine vollständige Darstellung des teilweise haarsträubenden Unsinns würde den Rahmen sprengen.
1. Zu den offenen Beitragsforderungen
Die Unfähigkeit der Kammerfunktionäre, tatsächlich alle Zwangsmitglieder auch gleichmäßig zur Kasse zu bitten, haben wir hier schon thematisieren müssen. Die dadurch entstandenen Außenstände summieren sich in der Bilanz zum 31. Dezember 2021 mittlerweile auf sagenhafte 6.864.606 €. Zum Vergleich: das ist mehr als das Doppelte der gesamten Umsatzerlöse der Pflegekammer im Jahr 2021. Und bei diesen Zahlen sind Wertberichtigungen und Vollabschreibungen noch nicht einmal enthalten. So haben die Kammerfunktionäre die offenen Forderungen für das Jahr 2016 mittlerweile vollständig abgeschrieben. Auf die Frage von bffk-Vorstand Klaus Behrens, der für das Bündnis „Pflegekammer ohne Zwang“ Mitglied der Vertreterversammlung ist, auf welche Gesamthöhe dieser Totalverlust zu beziffern sei, lautete die Antwort des zuständigen Verwaltungsleiters – das ist einer beiden „Spitzenfunktionäre“, die im Nebenberuf noch ein Privatunternehmen mit einer 3-stelligen Zahl an Mitarbeitern und Millionenumsätzen führt – die Buchhaltung erlaube eine solche Übersicht zu den Zahlen eines solchen Totalverlustes nicht. Ein HELAU aus der Kanervalshochburg.
Weder die ehrenamtliche Führung der Pflegekammer noch die breite Masse der Mitglieder der Vertreterversammlung haben mit einer solchen Anhäufung von tatsächlicher oder vorsätzlicher Inkompetenz ein Problem. Denn natürlich hat diese Zahl eine enorme politische Bedeutung.
2. Die Geschenkerichtlinie
Zutreffend haben die Pflegekammerfunktionäre erkannt, dass die Annahme von Geschenken eine heikle Geschichte ist. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts handelt, wo Vorteilsannahme durchaus auch strafrechtliche Folgen haben kann.
Die einfachste Lösung wäre nun, auf die Annahme von Geschenken gänzlich zu verzichten. Aber einerseits wollen oder können diese Leute keine einfachen Lösungen. Andererseits erscheint offensichtlich und entscheidend, dass die Kammerfunktionäre auf Geschenke eben nicht verzichten wollen. Also eine Richtlinie.
Zunächst wird die Fahne der Ehre mit zahlreichen Worthülsen hochgehalten. Das währt aber nur kurz. Denn dann wird zwar festgelegt, dass bare Geldgeschenke ganz verboten sind. Den Umweg über „Baräquivalente wie z.B. Gutscheine“ darf der Vorstand aber eröffnen. Und wenn ein solcher Gutschein einen Kammerfunktionär gänzlich überraschend und also unverschuldet treffen sollte, lässt sich eine Genehmigung durch den Vorstand auch nachträglich einholen. Die Vertreterversammlung erfährt von so etwas nichts. Denn eine Mitteilungspflicht gibt es selbstverständlich nicht. Ein doppeltes HELAU aus der Kanervalshochburg.
Bei der Annahme der Geschenke zeigen sich die Funktionäre dabei deutlich kreativer als bei der Eintreibung offener Beiträge. Denn es könnte ja auch unbare Geschenke geben. Erstmal wird hierfür eine Grenze von 50 € bestimmt. Was aber ist eine Grenze ohne Grenzübergang? Und deswegen darf die „Stabsstelle Recht“ der Pflegekammer auch höhere Geschenke genehmigen. Hier erfährt noch nicht einmal der Vorstand – die Vertreterversammlung sowieso nicht – von dem schönen Geschenk für einen glücklich beschenkten Kammerfunktionär. Eine Obergrenze gibt es schon gar nicht. Aber die „Stabstelle Recht führt ein Zuwendungsverzeichnis“, in das aber weder für die Kammermitglieder, die Vorstandsmitglieder noch die Mitglieder der Vertreterversammlung ein Einsichtsrecht besteht. Ein dreifach HELAU aus der Kanervalshochburg.
3. Die Compliancerichtlinie
Die beschlossene Compliancerichtlinie mit erbärmlich zu beschreiben wäre noch wohlwollend. Anstelle eines unabhängigen Hinweisgebersystems – allerorten als unverzichtbares Fundament für eine effektive Korruptionsbekämpfung erkannt – sollen sich Hinweisgeber an können an den Vorstand, die Vertreterversammlung oder die im Auftrag der Pflegekammer bislang regelmäßig gegen die Mitglieder eingesetzte Haus-und-Hof-Rechtsanwaltskanzlei wenden.
Angesichts dieser Verhöhnung dessen, was mit ehrlichen Bemühungen um Compliance verbunden ist, bleibt das HELAU im Halse stecken.
Lustig ist aber dann, dass die Pflegekammer die Regeln, nach denen die Kammer selber vorhat, Geschenke zu verteilen, nicht in der Geschenkerichtlinie, sondern in der Compliance-Richtlinie versteckt.
Verboten sind danach – immerhin – Spenden zu Gunsten von Einzelpersonen und gewinnorientierte Organisationen, privaten Konten, politische Vereinigungen und Amts-, Mandatsträger oder Bewerber um ein öffentliches Amt. Bedenken möchte die Pflegekammer aber ggf. Projekte aus dem Bereich Bildung, Kunst & Kultur, Umweltschutz, Sport und soziale Einrichtungen. Was kann es auch Schöneres geben für einen Kammerfunktionär als bei irgendeiner Preisverleihung den reichen und großzügigen Onkel zu geben und sich dafür feiern und loben zu lassen. Eine solche Freigiebigkeit fällt umso leichter, wenn der reiche Onkel für die von ihm verteilten Gaben nicht selbst zahlen muss. Dafür hat die Kammer ja ihre Zwangsmitglieder- Zumindest die, deren Beiträgen man habhaft werden kann.
Die Sache hat nur einen kleinen Haken. Mit der Förderung rein humanitärer Zwecke sowie als förderungsfähig anerkannte gemeinnützige und mildtätige Zwecke überschreitet eine Kammer den ihr vorgegebenen Aufgabenkreis. Dazu hat das Verwaltungsgericht in Düsseldorf schon im Jahr 2016 geurteilt. Beitragseinnahmen für solche Zwecke außerhalb des gesetzlich vorgegebenen Aufgabenkreises zu verteilen, ist also schlicht rechtswidrig bzw. erfüllen den Tatbestand der Untreue. HELAU, HELAU, HELAU, HELAU.