12.10.2010
Stuttgart 21 – Musterbeispiel für Kammerpropaganda
An dieser Stelle geht es nicht um das Für und Wider des Projektes Stuttgart21. Man kann davon ausgehen, dass es unter den bffk-Mitgliedern ebenso wie in Stuttgart Befürworter und Gegner dieses Projektes gibt.
Aus Sicht des bffk ist die Haltung der Kammern zu beleuchten, so wie sie sich in der Öffentlichkeit zu diesem Projekt äußern. Maßstab hierbei kann nur das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.06.2010 sein, in welchem klare Regeln für das Verhalten der Kammern aufgestellt wurden.
Zu diesen klaren Regeln gehört die Notwendigkeit, die Interessen der Mitgliedsbetriebe ausgleichend und abwägend zu berücksichtigen – Minimum ist dabei eine klare Beschlussfassung in den Kammergremien. Weiterhin verlangt das Gericht eine „...notwendige Zurückhaltung...“ der Kammern und auch „...gegebenenfalls die Darstellung von Minderheitenpositionen...“ .
Bei Betrachtung der Aktivitäten der süddeutschen Kammern fällt auf, dass sich diesen an die Regeln, die das Urteil aufgestellt hat nicht halten. Die Demonstration der IHK Ulm für das Projekt Stuttgart21 verletzte sicherlich gleich beide Grundsätze. Und auch die Veranstaltung der IHK Stuttgart mit Bahnchef Grube vom 11.10.2010 kann wohl kaum den Ansprüchen des Bundesverwaltungsgerichtes genügen, wenn eine Zeitung wie die Süddeutsche dann von einer Kammer, die „..zur Sekte wird...“ spricht.
Ganz grundsätzlich lässt sich die Positionierung der Kammern aber auch hinsichtlich der Legitimation ihrer Beschlüsse in Frage stellen. Zum einen muss hinterfragt werden, ob den Gremienbeschlüssen eine ausreichende und eben auch dokumentierte abwägende und ausgleichende Befragung der Mitgliedsbetriebe vorangegangen ist. Wenn die IHK Stuttgart insgesamt behauptet, die Region stünde geschlossen hinter dem Projekt, gleichzeitig aber wie aus dem Nichts bei einer ersten Veranstaltung nur in Stuttgart über 100 Unternehmerinnen und Unternehmer sich gegen Stuttgart21 aussprechen, dann zeigt dies nur, dass hier offensichtlich eine von Funktionären vorgefasste Meinung den Segen eines Vollversammlungsbeschlusses erhalten hat. Zum anderen muss gefragt werden, welchen Wert solche Beschlüsse haben, wenn auch sie möglicherweise auf der Grundlage falscher Informationen (Preise / Daten / Risiken) getroffen wurden.
Kurz und gut: so wie sich die süddeutschen Kammern zzt. beim Thema Stuttgart21 präsentieren, haben sie aus dem Leipziger Urteil nichts gelernt. Es werden notwendigerweise Mitgliedsunternehmen sein, die den Kammerfunktionären beibringen müssen, wo die Grenzen zwischen unerlaubter Einmischung in das politische Tagesgeschäft und den Pflichtaufgaben der Kammern verlaufen.