13.04.2019
OVG Münster: erneuter Kniefall vor dem IHK-Dachverband
Das OVG Münster ist gestern zum zweiten Mal vor dem IHK-Dachverband in die Knie gegangen. Das Gericht hat mit einer absurden Begründung den Anspruch eines IHK-Mitgliedes auf Austritt der IHK Nordwestfalen aus dem DIHK abgelehnt.
Dabei hatte das Bundesverwaltungsgericht, dass im Jahr 2016 erstmals eine Entscheidung des OVG in dieser Sache zu korrigieren hatte, dem Gericht in Münster hinsichtlich der weiteren Prüfung recht einfache Vorgaben gemacht.Vorgeschichte
Zum besseren Verständnis zunächst ein kurzer Abriss der Vorgeschichte. Im Jahr 2006 begehrte Windkraftunternehmer T. Siepelmeyer von „seiner“ IHK Nordwestfalen den Austritt aus dem DIHK, weil sich der dauernd in rechtswidriger Weise mit allgemeinpolitischen Äußerungen in die öffentliche Debatte einmischt. Da die IHK dieser Forderung nicht nachkam, erhob Siepelmeyer im Jahr 2007 Klage. Sowohl das Verwaltungsgericht (2009) als auch das Oberverwaltungsgericht (2014) in Münster wiesen die Klage zurück, weil ein solcher Austrittsanspruch eines einzelnen IHK-Mitgliedes nicht gesehen wurde. Hier griff im Jahr 2016 das Bundesverwaltungsgericht erstmals ein. In einem mehr als deutlichen Urteil betonte das Gericht die Zulässigkeit eines solchen Anspruchs. Gleichzeitig verwiesen die Bundesrichter in erfrischender Deutlichkeit auf das „Sündenregister“ des IHK-Dachverbandes. Der Auftrag an das OVG in Münster lautete nun, im Wege einer „tatrichterlichen Prognose“ zu klären, ob eine tatsächliche Wiederholungsgefahr hinsichtlich solcher rechtswidriger Äußerungen bestehe. Würde dies bejaht, müsse der Klage stattgegeben werden und die IHK Nordwestfalen aus dem DIHK austreten. Für die Prüfung bekamen das Münsteraner OVG vom Bundesverwaltungsgericht auch deutliche Kriterien an die Hand.Das zweite Verfahren in Münster
Der gestrige Prozess vor dem OVG begann mit einer förmlichen Abrechnung des Gerichtes mit dem DIHK. Im wesentlichen waren es drei Kriterien, anhand derer eine mögliche Wiederholungsgefahr ge-prüft werden musste. Gab es seitens des DIHK Einsicht in bisherige Kompetenzüberschrei-tungen? Das Gericht meinte hierzu, der DIHK hat „kaum Einsicht in vergangene Aufgabenüberschreitungen erkennen lassen“. Die zweite Frage lautete, ob es weitere regelhafte – also keine atypischen Ausreißer – Kompetenzüberschreitungen des DIHK bei öffentlichen Äußerungen gab? Hier kam das Gericht zu der Feststellung, dass „der DIHK auch nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts weiter in erheblichem Umfang seine Kompetenzgrenzen missachtet“. Hier muss erinnert werden, dass sich dieses Verfahren nun seit 2006 hinzieht, dass es bereits im Jahr 2010 ein erstes deutliches Urteil des Bundesverwaltungsgericht auch in Richtung DIHK gab, und dass seit dem zweiten Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (2016) nochmals mehr als 2 Jahre vergangen sind. Und nach all dieser Zeit stellt das OVG Münster eine anhaltende umfangreiche Kompetenzüberschreitung fest und – Überraschung – verneint eine Wiederholungsgefahr. Kläger Siepelmeyer hatte auch gestern nochmals aktuelle Pressemitteilungen und Beispiele (Interviews) im Gepäck, die im Sinne der gerichtlichen Feststellungen die anhaltenden Kompetenzüberschreitungen belegen. Die Begründung des OVG, warum nun trotz aller Belege für die fortdauernden Rechtsverstöße des DIHK von gestern an mit dem Urteil nun keine Wiederholungsgefahr mehr besteht, ist im dreifachen Sinne absurd.
Zum ersten meint das OVG, dass diese Gefahr nur deswegen nicht bestehe, weil der DIHK die Möglichkeit eröffnet habe, „künftige Überschreitungen der Kompetenzen wirksam zu unterbinden.“ Absurd ist diese Begründung, weil das OVG an dem vom DIHK geschaffenen Verfahren selbst erheblich Mängel gesehen hat. So urteilen nach der DIHK-Beschwerdeordnung Hauptgeschäftsführer und Präsident selbst über Beschwerden gegen Hauptgeschäftsführer und Präsident. Von der vom Bundesverwaltungsgericht geforderten unabhängigen Ombudsstelle kann keine Rede sein. Und ob Klagen nun vor dem Zivil- oder Verwaltungsgericht erhoben werden können, ist immer noch ungeklärt.
Zum zweiten haben weder das jahrelange Gerichtsverfahren, noch die diversen Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes und verschiedener Verwaltungsgerichte den DIHK in irgendeiner Weise beeindruckt. Genauso wenig, wie die vom DIHK vorgenommene Satzungsänderung. Das OVG Münster stellt selbst fest, dass „in erheblichem Umfang“ die Kompetenzüberschreitungen andauern, obwohl es diese theoretische Klagemöglichkeit gibt.
Und zum dritten hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, wenn gegen wenn Aufgabenüberschreitungen nur nachträglich vorgegangen werden kann.Der Kniefall
Das OVG hat also festgestellt, dass der DIHK keine Einsicht zeigt, nach 16 Jahren und zahlreichen und deutlichen Gerichtsentscheidungen immer noch regelhaft und in erheblichem Umfang seine Kompetenzen überschreitet und nur einen mit Mängel behafteten und im besten Fall nur rückwirkenden Schutz vor Kompetenzüberschreitungen anbietet. Aus all dem zieht das OVG den Schluss, dass keine Wiederholungsgefahr besteht, weil IHK-Mitglieder effektiven Rechtsschutz besitzen würden. An der Stelle darf noch Erwähnung finden, dass die IHK-Organisation sich – wie vom OVG erkannt - ohne Einsicht in solchen Verfahren mit einem maßlosen Ressourceneinsatz gegen die eigenen Mitglieder in Stellung bringt. Beim gestrigen Gerichtstermin waren neben mindestens 4 bei der IHK Nordwestfalen bzw. beim DIHK festangestellten Jurist*innen weitere drei teure Rechtsanwälte am Start. Die von der IHK und dem DIHK für das Verfahren mittlerweile aufgewendeten Honorare dürften die 250.000-Euro-Grenze längst durchschlagen haben. Macht ja nichts..... zahlen die Zwangsmitglieder. Dem OVG war all dies ganz offenkundig bewusst. Und trotzdem oder gerade deswegen ging man vor dem DIHK in die Knie.
Link zur Pressemitteilung des OVG Nordrhein-Westfalen